Wissenswertes über Lysosomale Speicherkrankheiten

 

Was sind Lysosomale Speicherkrankheiten?

Lysosomale Speicherkrankheiten (LSD - Lysosomal storage disease) sind eine Gruppe von etwa 45 genetisch bedingten Stoffwechselkrankheiten, die durch Fehlfunktionen im Lysosom ausgelöst werden. Bei den betroffenen Patienten fehlt aufgrund eines genetischen Defekts ein bestimmtes Enzym oder es ist nicht ausreichend vorhanden. Die Erkrankungen sind monogenetisch.

(Eine monogenetische Erkrankung (auch: „monogene Erkrankung“) ist eine Krankheit, die durch einen Defekt in einem einzelnen Gen (= mono-gen) hervorgerufen wird, weshalb sie zuweilen auch als „Ein-Gen-Krankheit“ bezeichnet wird. Meistens handelt es sich dabei um ererbte Erkrankungen. Sie treten häufig schon in der frühen Kindheit auf und zeigen in vielen Fällen einen schwerwiegenden chronischen oder sogar tödlichen Verlauf)

 

Was sind Lysosome?

Lysosomen sind winzige, von einer Membran umschlossene Zellorganellen (strukturell abgrenzbarer Bereich mit einer besonderen Funktion.) in Eukaryonten, die man sich vereinfacht als kugelförmige Bläschen vorstellen kann. Sie werden vom Golgi-Apparat gebildet und enthalten hydrolytische Enzyme und Phosphatasen. Ihre Hauptfunktion besteht darin, Fremdstoffe oder körpereigene Stoffe mittels der in ihnen enthaltenen Enzyme zu verdauen.

 


 

Normalerweise sorgen Enzyme dafür, dass die im Stoffwechsel anfallenden Abfallstoffe in den Lysosomen, die für die Abfallbeseitigung der Zellen verantwortlich sind, entsorgt bzw. wieder aufgearbeitet werden. Wenn das in Folge des Enzymmangels nicht geschehen kann, sammeln sich die Abfallstoffe in den Zellen an und verursachen so Störungen im Stoffwechsel. Anfangs kann dies auch mit wenigen Einschränkungen verbunden sein. Im unbehandelten weiteren Verlauf kann es aber zur massiven Vergrößerung oder zum Untergang von Zellen führen und je nach Art des Defekts kommt es dann zu Schädigungen des Nervensystems, der Knochen, der Muskeln, Nieren und Milz, des Herzens und weiterer Organe.


Abbildung einer von Tay-Sachs betroffenen Nervenzelle. Tay-Sachs ist eine von 40 verschiedenen Lysosomalen Speicherkrankheiten.




Welche Therapiemöglichkeiten hat man bei Lysosomalen Speicherkrankheiten,und welche Ergebnisse wurden bisher erziehlt?


  • Symptomatische Behandlung
  • Knochenmarkstransplantation
  • Gen-Therapie
  • Enzymersatztherapie

Symtomatische Behandlung

Unter Symtomatischer Behandlung versteht man alle notwenigen Maßnahmen zu treffen, um das Leben des Patienten so gut es geht zu verlängern und die Lebensqualität zu erhöhen. Zb chirugische Eingriffe (Magensonde, Dekompressionsoperation,.. ) falls nötig, Physiotherapie, Orthopädie, uvm.

Knochenmarkstransplantantion

Durch eine Knochenmarkstransplantation kann der Verlauf mancher Mukopolysaccharidosen gemildert werden. Angewendet wird diese Behandlung v.a. bei M.Hurler und bei M. Maroteaux-Lamy. Bei den anderen Formen konnte keine Besserung erzielt werden.


Diese Behandlung ist mit verschiedenen Problemen verbunden:

  1. Zum ersten muss ein Spender gefunden werden, der die gleichen Gewebs-Eigenschaften wie der Patient hat. Oft ist das nur bei Geschwistern der Fall. Sind keine Geschwister vorhanden, gestaltet sich die Suche nach einem geeigneten Fremdspender schwierig und langwierig.
  2. Zum zweiten ist eine Konditionierung (Chemotherapie) notwendig, um das eigenen Knochenmark auszulöschen. Damit ist eine Verminderung der Abwehrkraft des Körpers und ein hohes Infektionsrisiko verbunden.
  3. Und zum dritten kann es auch von seiten des Knochenmarks zu einer Abstoßungs-Reaktion gegen den Emfänger-Organismus kommen. (Graft-versus-host-Reation). Zeichen dafür sind Haut- und Darmblutungen, Leberversagen, Schock. Selbst das Medikament, das gegen diese Reaktion eingesetzt wird, kann zu Nebenwirkungen wie Bluthochdruck und Niereninsuffizienz führen.

Eine Knochenmarkstransplantation ist eine eingreifende Maßnahme, und das Risiko muss eingehend gegen den zu erwartenden Erfolg abgewogen werden.

Verläuft die Behandlung erfolgreich, so darf man sich über keine Heilung, sondern über eine Linderung des natürlichen Krankheitsverlaufes freuen:

  • Die mentale Entwicklung kann auf dem Niveau gehalten werden,das zur Zeit des Eingriffs gegeben war
  • Die Vergrößerung von Leber und Milz gehen zurück
  • Die Gelenksversteifungen bilden sich zurück
  • Die Sehfähigkeit und das Hörvermögen bessern sich
  • Die Hornhauttrübung bildet sich zurück
  • Ein Wachstum ist möglich

Die schweren Skelettveränderungen werden wenig beeinflusst.
Am besten sollte eine Knochenmarkstransplantation in einem sehr jungen Alter, am besten vor dem zweiten Lebensjahr durchgeführt werden.


Gen-Therapie

In diese Behandlung werden große Hoffnungen gesetzt. Allerdings steht sie uns noch nicht zur Verfügung.

Das Prinzip der Behandlung wäre folgendes:

Das fehlende Gen müsste in den Organismus gebracht werden. Dazu würden dem Patienten zunächst Zellen aus dem Knochenmark entnommen, diese in eine Kultur gebracht, und dieser Kultur dann das fehlende Gen eingeimpft. Die so genetisch veränderten Zellen würden dem Patienten dann wieder zurückgegeben und das nun vorhandene Gen könnte das fehlende, zum Abbau der Mukopolysaccharide notwendige, Enzym produzieren.

Zum Einimpfen der Gene müssten Retro-Viren als Vektoren verwendet werden. Man weiß heute noch nicht, ob diese nicht später einen onkogene Wirkung entfalten, d.h. eine Krebserkrankung verursachen können.


Enzymersatztherapie

Die größten Hoffnungen liegen derzeit in einer Enzymersatztherpaie. Diese Art der Therapie ist im Moment auch die greifbarste Form und diejenige, die vermutlich als erstes zur Verfügung stehen wird.

Das Prinzip der Enzymersatztherapie besteht darin, dass den Patienten das fehlende Enzym mittels Infusionen zugeführt wird. Das Problem hierbei ist aber das Überwinden der Bluthirnschranke, sodass die Wirkung auf das Zentralnervensystem noch fraglich ist.

Hergestellt wird das Enzym mittels einer Zellkultur. Dazu werden Ovarien-Zellen des chinesischen Hamsters eingesetzt. Die Zellen werden in großen Reaktoren (Fermentoren) unter optimalen Wachstumsbedingungen (Temperatur, pH, Sauerstoff etc.) gezüchtet. Damit sie das benötigte Enzym produzieren können, müssen sie zunächst mit der richtigen genetischen Information versorgt werden. Dies geschieht, indem man jene Genabschnitte des menschlichen Gens, welche für die Herstellung des gewünschten Enzyms verantwortlich sind, in die Hamsterzelle verpflanzt. Unter Umständen produziert diese so veränderte sogenannte rekombinante Hamsterzelle dann das gewünschte Enzym.
Nach der Fermentation muss das Enzym aus dem Gemisch der anderen Proteine abgetrennt werden. In gereinigtem Zustand kann es dann als Therapeutikum eingesetzt werden.

Das erste so produzierte Enzym, das als Medikament den Namen Aldurazyme (abgeleitet von Alpha-L-Iduronidase, dem Enzymdefekt bei MPS I) trägt, wurde am 10. Juni 2003 in Europa durch die Europäische Zulassungsbehörde genehmigt. In den USA wurde es bereits am 30. April 2003 zugelassen; dort werden Patienten seit Mitte Mai therapiert.

Für die MPS-Forschung ist das ein großartiger Durchbruch und eine große Hoffnung für die Patienten, besonders wenn man bedenkt, dass von der ersten Grundlagenforschung im Labor von Prof. Elisabeth Neufeld/ USA bis zur Zulassung des Medikaments ganze 35 Jahre vergangen sind. Im Rahmen von klinischen Studien (Phase I, II und III) wurden den Patienten das Enzym in Form von Infusionen verabreicht. Was sich dabei gezeigt hat, das waren vor allem signifikante Verbesserungen im Bereich der Gelenke (Versteifungen nahmen ab), eine Reduktion der Leber- und Milzgröße und ebenfalls eine positive Beeinflussung der Atempausen im Schlaf. Allerdings gibt es keinen Hinweis darauf, dass auch die Speicherungen im Gehirn beeinflusst werden können.

Aldurazyme® wurde von den Firmen BioMarin und Genzyme im Rahmen eines Joint Venture entwickelt, wobei BioMarin für die Herstellung und Genzyme für die weltweite Vermarktung verantwortlich ist.

Auch für MPS II und für MPS VI laufen seit mehreren Jahren klinische Studien, die allesamt sehr vielversprechend sind. Auf eine Zulassung der zukünftigen Medikamente werden wir allerdings noch ein Weilchen warten müssen.

Noch länger wird es wohl bei MPS IV dauern, wo sich die Forschung immer noch mit Tierversuchen an Mäusen beschäftigt.

In der Phase I für die MPS VI-Studie war neben fünf Kindern aus den USA auch ein österreichisches Kind involviert.